Freitag, 13. März 2015

Zur Blurred Lines- Entscheidung USA | Urheberrechtsschutz bei musikalischen Werken und Melodien | Inspiration oder Kopie?

Auch wenn es schon wieder zwei Jahre her ist, jeder kennt ihn wohl noch, den Ohrwurm schlechthin aus dem Jahre 2013: „Blurred Lines“ von Robin Thicke und Pharell Williams.

Dass dieser Titel gar nicht so neu ist, das entschied nunmehr am 10. März 2015 eine Jury in Los Angeles (Kalifornien, Vereinigte Staaten von Amerika). Konkret wurde Robin Thicke und Pharell Williams vorgeworfen mit „Blurred Lines“, den bereits aus dem Jahre 1977 stammenden Song „Got to Give It Up“ von Marvin Gaye kopiert zu haben. Geklagt hatten Gayes Erben, denen letztlich 7,4 Millionen US-Dollar (circa 6,9 Millionen Euro) Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung zugesprochen wurden.

Aufgrund einer Analyse beider Titel durch einen Musikwissenschaftler, der neben Bass, dem Keyboard-Zwischenspiel und dem Refrain noch fünf weitere Ähnlichkeiten ausfindig machen konnte, befand die Jury in Los Angeles, dass dies zu viele Gemeinsamkeiten seien und bejahte einen Verstoß gegen das Urheberrecht.

Ähnlich wie das US-amerikanischen Copyright Law, zielt auch das deutsche Urheberrecht darauf ab, alle Werke, die das Ergebnis persönlichen geistigen Schaffens sind, vor unberechtigten Verwertungen und Vervielfältigungen zu schützen. Zu den zu schützenden Werken zählen nach § 2 I Nr. 2 UrhG ebenfalls Werke der Musik, so dass individuelle Tonfolgen, Melodien und Kompositionen, sofern sie denn auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit des Urhebers beruhen, Urheberrechtsschutz genießen.

Im Fall von Williams und Thicke verteidigten die Musiker ihren Song. Vor Gericht sagten sie aus, sie haben sich von „Got to Give It Up“ inspirieren lassen und wollten so mit „Blurred Lines“ lediglich das Gefühl der späten Siebzigerjahre vermitteln.

Doch eben genau hier liegt die alles entscheidende Frage: Wo liegt die Grenze zwischen reiner künstlerischer Inspiration und einer Urheberrechtsverletzung und wann ist sie bereits überschritten?
Grundsätzlich gestattet § 24 I UrhG die „freie Benutzung“. Somit darf ein selbstständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, auch ohne die Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Ein fremdes Werk kann daher als Anregung für die Schaffung eines eigenen Werkes dienen, ohne dass eine nach § 23 UrhG urheberrechtlich relevante Umgestaltung bzw. Bearbeitung vorliegt. Diese Regelung beruht auf der Annahme, dass - zumindest im kulturellen Bereich - ein kreatives Schaffen nur schwer ohne Inspiration durch frühere Schöpfungen denkbar ist.

Voraussetzung für eine derartige Benutzung eines älteren Werkes ist, dass ein selbständiges Werk entstehen muss. Das zur Anregung herangezogene fremde Werk darf also weder in identischer oder umgestalteter Form übernommen werden noch als Werkunterlage oder Vorbild dienen. Obwohl das ältere Werk unter Umständen erkennbar bleiben kann, muss sich das neue Werk durch einen gewissen Grad an Individualität auszeichnen.

Gelten diese allgemeinen Grundsätze über die freie Benutzung nun also auch für musikalische Werke?

Der zweite Absatz des § 24 UrhG begründet den sogenannten „Melodienschutz“ wonach die in einem musikalischen Werk enthaltene Melodie gegen die „erkennbare Entnahme“ und Verwendung in einem neuen Werk geschützt werden soll. Wurde eine Melodie erkennbar aus einem älteren Werk entnommen und in ein neues Werk übernommen, so ist eine freie Benutzung ausgeschlossen und der Anwendungsbereich des § 23 UrhG aufgrund einer urheberrechtlich  relevanten Umgestaltung bzw. Bearbeitung eröffnet.

In der Praxis erfolgt die Beurteilung einer erkennbaren Entnahme, wie auch im vorliegenden Fall von „Blurred Lines“ und „Got to Give It Up“, durch einen konkreten Vergleich der Übereinstimmungen der musikalischen Werke. Ein solcher Vergleich muss im Ergebnis zumindest ergeben, dass sich für einen mit der Musik vertrauten Verkehrskreis eine assoziative Verbindung zum benutzen Werk herstellen lässt. Voraussetzung für eine urheberrechtlich relevante Melodienentnahme nach § 24 II UrhG ist weiterhin, dass der Komponist der jüngeren Melodie die Ältere gekannt und bewusst oder unbewusst bei seinem Schaffen darauf zurückgegriffen hat, was bei weitgehenden Übereinstimmungen regelmäßig naheliegt (BGH, 3. Februar 1988, I ZR 142/86 - "Ein bisschen Frieden").

Dieses subjektive Element der Kenntnis dient vor allem dazu, die erkennbare Entnahme gegenüber einer zufälligen „Doppelschöpfung“ abzugrenzen, die regelmäßig keine Urheberrechtsverletzung darstellt (BGH, 3. Februar 1988, I ZR 142/86 - "Ein bisschen Frieden").
Bei der Beurteilung des Vorliegens einer zufälligen Doppelschöpfung zeigt sich der BGH jedoch besonders streng in dem er annimmt, „dass angesichts der Vielfalt der individuellen Schaffensmöglichkeiten auf künstlerischem Gebiet eine weitgehende Übereinstimmung von Werken, die auf selbstständigem Schaffen beruhen, nach menschlicher Erfahrung nahezu ausgeschlossen erscheint“ (ebd.). Doppelschöpfungen stellen daher eine seltene Ausnahme dar, denn wie auch der BGH bereits feststellte, ist im musikalischen Bereich bei Anwendung der bestehenden Gestaltungsmittel wie Melodik, Rhythmik oder Tempo „ein weiter Spielraum für eine individuelle Ausdruckskraft gegeben“ (ebd.).


Wie viele Gemeinsamkeiten zwischen musikalischen Werken vorliegen dürfen, das ist und bleibt immer eine Frage des Einzelfalls und lässt sich leider nicht anhand einer festen Formel beurteilen.

Sollten Sie daher Fragen zum Urheberrecht und Urheberschutz haben, sind wir gerne für Sie da.

law. by adesse.

Autorin: stud. Prakt. Sina Viergutz

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