Montag, 4. Mai 2015

Kein Geschäft mit der Liebe | Kein Recht auf Gebühr für Online-Partnervermittlung | Urteil AG Hamburg zu § 656 BGB

Die Hochzeitssaison 2015 hat bereits begonnen und für all jene, die wieder einmal nur Trauzeuge oder Brautjungfer spielen durften, gibt es eine gute Nachricht vom AG Hamburg: Online-Partnervermittlungen haben kein Recht auf Erhebung einer Gebühr zu Lasten ihrer Mitglieder für die erfolgreiche Vermittlung einer Ehe oder einer festen Partnerschaft.

Verwundert Sie diese Rechtsprechung? So geht es den meisten, denn der hier herangezogene § 656 BGB, der

"das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung der Ehe oder für die Vermittlung einer Ehe

als unverbindlich erklärt und den Beteiligten damit die prozessuale Geltendmachung ihrer Forderungen abspricht, rührt aus einer Zeit her, in der es als unschick galt, für die Vermittlung der Ehe eine Gebühr zu erhalten.


§ 656 BGB ist um 1900 von der Reichstagskommission in das BGB eingeführt worden. Es entsprach nach damaligem Verständnis nicht der Sitte und nicht dem Charakter der Ehe, für die Vermittlung von Ehepartnern einen Lohn zu verlangen. Die Gesetzgeber sahen die Gefahr der Beeinflussung von zur Ehe geneigten Personen. Solche Personen, die sich um 1900 in die Ehe sehnten, seien leicht zu beeinflussen gewesen, hieß es in der Kommission. Letztlich sei die Ehe eine Herzensangelegenheit, in solchen Angelegenheiten sollte Geld keine Rolle spielen und erst recht sollte es nicht zu Klagen wegen der Einforderung - oder Rückforderung der Ehevermittlungsgebühr kommen. 

Die Beteiligten sollten vor der Peinlichkeit eines Prozesses bewahrt werden.

Um es juristisch genau zu nehmen ist genau an dieser Stelle zu differenzieren: Der Ehemaklervertrag oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag kommt zwischen den Parteien rechtswirksam zu stande; die Parteien können auch die Zahlung einer Gebühr etc. miteinander vereinbaren. Die Leistung des Maklers ist demnach nicht per se unentgeltlich (Palandt / Sprau, 74. Aufl., § 656, Rn. 1), die Vereinbarung und Leistung der Bezahlung stellt eine Naturalobligation des Auftraggebers dar (Palandt / Sprau, 74. Aufl., § 656, Rn. 2). 

Aber: Die gegenseitig vereinbarten Leistungen sollen vor Gericht nicht einklagbar sein, deswegen "unverbindlich". 

Der Gesetzgeber wollte somit nur indirekt der Kommerzialisierung und der Geschäftemacherei mit der Ehe entgegen wirken. Die Rechtsprechung hat § 656 BGB außerdem bereits in der Vergangenheit konsequent nicht nur auf die Ehevermittlung, sondern auch auf "Eheanbahnungsverträge" (BGH, NJW 1983, 2817; NJW 1986, 927) und die heute relevante "Partnerschaftsvermittlung" (LG Essen, NJW 1984, 178; OLG HAMM, MDR 1989, 452) angewandt. 

Umstritten ist dabei noch immer, ob § 656 BGB entsprechend auch auf bloße Bemühungen zur Herbeiführung außerehelicher Partnerschaften bzw. Ehen angewandt werden soll. Dies würde insbesondere bei sogenannten "Partnerkreisen", "Singleclubs" o. Ä. relevant, bei dem die Mitglieder einen Pauschalbertrag dafür entrichten, zunächst nur in Kontakt mit anderen Singles zu kommen. 

Die Meinungen hierzu gehen außeinander. Einerseits könnte man meinen, bloße Vermittlungsbemühungen wollte der Gesetzgeber von 1900 nicht von § 656 BGB umfasst wissen, denn um 1900 war alles, was in den Bereich "Kuppelei" und die Vermittlung außerehelicher Kontakte ging, vom Strafgesetzbuch und dem "Kuppelparagraphen" § 180 I StGB a.F. umfasst. Es sollte bloß um den Schutz der Ehe gehen.

Andererseits könnte man in Hinblick auf die Entwicklung der Gesellschaft vertretbar sagen, dass auch solche Personen ein Interesse am Schutz ihrer Privatssphäre haben sollten, denen es zunächst nur um die  Kontaktmöglichkeit geht, die im Rahmen von Singleclubs, dem heutigen C-Dating, ermöglicht wird. Aber: Das würde nicht nur dem Wortlaut des § 656 BGB widersprechen, sondern auch der Intention des Gesetzgebers. 

Daher gab es bereits in der Vergangenheit Stimmen, die den § 656 BGB als verfassungswidrig deklariert haben, mit dem Argument, er würde der Branche jeden prozessualen Weg, damit auch Anspruch auf rechtliches Gehör abschneiden.

Insgesamt kommt es auf den Einzelfall, dort auf die Vertragsgestaltung an: 

  •  Ist ein Erfolg, also die Eingehung einer Ehe oder einer festen Partnerschaft Ziel der Vereinbarung?
  • Ist ein Erfolg "Ehe" oder "Partnerschaft" zwar langfristig als Option vereinbart, im Vordergrung steht aber die Vermittlung von Kontakten und privaten Aktivitäten?
  • Oder ist ein Erfolg gar nicht vereinbart, geht es nur um die Community, sprich um eine klassische Mitgliedschaft? 
 
Das AG Hamburg hat diese Grundsätze auf die heutigen Onlineportale jedenfalls bei Vermittlung fester Partnerschaften übertragen; die Portale sind in diesen Fällen der Erfolgsvereinbarung nicht berechtigt, ihre Gebühren einzuklagen.

Geklagt hatte ein Internetanbieter gegen ein Mitglied auf Zahlung von Mitgliedsbeiträgen. Das Gericht hat die Klage abgewiesen und das Portal auf § 656 BGB hingewiesen. Was früher, um 1900, der Ehemakler gewesen sei, sei heute die Online-Partnervermittlung. Das Portal habe kein Recht auf Erhebung einer Gebühr für die Vermittlung einer festen Partnerschaft, gar Ehe

Dieser Grundsatz gelte laut Gericht jedoch nicht für reine Community- oder sogenannte "Friendship"-Plattformen. Diese seien nicht auf die Vermittlung einer festen Partnerschaft oder Ehe ausgerichtet, sondern dienen nur dazu, Kontaktanbahnungen zu ermöglichen.

Die Onlineportale werden auf diese Rechtsprechung sicher reagieren. Spätestens dann, wenn die Mitglieder anfangen, ihre Gebührenzahlungen einzustellen. Die Frage, die sich der Gesetzgeber in Zukunft stellen muss, lautet dann:

Ist es möglich, mit Businesskontakten, erotischen Kontakten, Society- Clubs und Co. ein Geschäft zu machen, nicht jedoch mit der Vermittlung fester Bindungen? Ist das in der heutigen Zeit noch angemessen? 

Wir meinen, in der heutigen Zeit ist das Anstandsgefühl der Gesellschaft nicht mehr mit dem von 1900 vergleichbar. Es kann dem Gesetzgeber heute nicht mehr darum gehen, die Beteiligten vor einem öffentlichen Prozess zu bewahren. Und es kann dem Gesetzgeber auch nicht darum gehen, dem Geschäft mit der Ehe und der Geschäftemacherei mit der Liebe vorbeugen zu wollen, wenn es heute doch für jedes andere, menschliche Bedürfnis zulässige Geschäftsmodelle gibt. 

Oder geht es genau darum? Ein durch und durch romantischer Gedanke als Basis für den Fortbestand eines Gesetz von 1900? Die Entwicklung in diesem Bereich bleibt abzuwarten.

law. by adesse.

 
 Hinweis: Die Ausführungen zur Entscheidung des AG Hamburg beruhen auf den Pressedetails der ROLAND Rechtsschutz, diese finden Sie Pressebericht.





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